Privatkliniken im Fokus
BFH entscheidet zur Umsatzsteuerbefreiung
Heilbehandlungsleistungen, die von Ärzten und anderen medizinischen Fachkräften erbracht werden, sind nach dem Umsatzsteuergesetz grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Für Krankenhausbehandlungen gibt es eine separate Steuerbefreiungsvorschrift. Diese gilt jedoch nur für bestimmte Krankenhäuser, insbesondere für Einrichtungen des öffentlichen Rechts sowie für solche, die nach § 108 SGB V zugelassen sind, wie Universitätskliniken oder Vertragskrankenhäuser.
Zusätzliche Anforderungen für Privatkliniken
Auch Privatkliniken können unter bestimmten Voraussetzungen von der Umsatzsteuerbefreiung profitieren, insbesondere dann, wenn ihre Leistungen unter sozial vergleichbaren Bedingungen wie die öffentlicher Krankenhäuser erbracht werden. Maßgeblich sind sowohl das nationale Recht als auch die europäische Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL). Die Rechtslage ist komplex, beschäftigt seit Jahrzehnten die Gerichte, und auch Gesetzesänderungen der letzten Jahre haben die Anwendung nicht wesentlich vereinfacht.
Kriterien für die soziale Vergleichbarkeit
Laut Rechtsprechung muss eine Privatklinik ihre Leistungen zu ähnlichen Bedingungen wie öffentliche Krankenhäuser erbringen. Dabei sind insbesondere folgende Punkte von Bedeutung:
Kostenstruktur
Ziel der gesetzlichen Steuerbefreiung ist es, die Kosten für Gesundheitsleistungen zu senken. Es ist daher relevant, ob die Entgelte eines privaten Krankenhauses den Entgelten in einem öffentlich-rechtlichen Krankenhaus für vergleichbare Leistungen nahekommen. Werden deutlich höhere Entgelte verlangt als nach den sogenannten DRG-Fallpauschalen abrechenbar sind, spricht dies gegen eine soziale Vergleichbarkeit. Nach dem Umsatzsteuergesetz müssen die Kosten voraussichtlich in mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde.
Kostenübernahme durch Sozialversicherungsträger
Ein weiterer Faktor ist, ob Sozialversicherungsträger die Kosten der erbrachten Leistungen übernehmen. Fehlt eine solche Einbindung, tragen Patienten im Vergleich zu öffentlichen Einrichtungen regelmäßig eine höhere finanzielle Belastung.
Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung
Schließlich ist zu prüfen, ob die Klinik insgesamt eine wirtschaftliche Krankenhausbehandlung gewährleistet. Strukturbedingt höhere Entgelte (z. B. wegen fehlender Investitionskostenzuschüsse) können zwar eine gewisse Differenz erklären, rechtfertigen aber keine unbegrenzten Mehrkosten gegenüber zugelassenen Krankenhäusern.
BFH schafft Klarheit
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 8. Juli 2025 (XI R 36/23) zu einem nicht nach § 108 SGB V zugelassenen privaten Krankenhaus nun weiter Klarheit geschaffen.
Er bestätigt, dass sich ein solches Krankenhaus für Zeiträume bis zum 31. Dezember 2019 grundsätzlich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen kann, obwohl der nationale sozialversicherungsrechtliche Bedarfsvorbehalt unionsrechtswidrig war. Entscheidend bleibt jedoch, dass die Leistungen unter Bedingungen erbracht werden, die den Bedingungen zugelassener Krankenhäuser in sozialer Hinsicht vergleichbar sind.
Um das beurteilen zu können, müssen vor allem die Leistungsfähigkeit des privaten Krankenhauses bei Personal, Räumlichkeiten und Ausstattung sowie die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung berücksichtigt werden. Von einer wirtschaftlichen Betriebsführung ist dabei nur auszugehen, wenn diese betriebswirtschaftlichen Vorgaben unterliegt, die mit denen öffentlicher Krankenhäuser vergleichbar sind und diese Vorgaben dazu beitragen sollen, die Behandlungskosten zu senken und den Zugang der Patienten zu einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung zu verbessern.
Luxusausstattung bleibt nicht steuerfrei
Im entschiedenen Fall hatte die Privatklinik (mehr als) doppelt so hohe Kosten abgerechnet wie vergleichbare, nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser. Diese Preisgestaltung hat der BFH nicht mehr als sozial vergleichbar angesehen. Eine deutliche Anhebung des selbst festgelegten Basisfallwerts ließ sich nach Auffassung des Gerichts nicht mit fehlenden Investitionskostenzuschüssen rechtfertigen. Selbst unter großzügiger Betrachtung wäre nur ein wesentlich geringerer Aufschlag vertretbar gewesen. Die Revision der Klinik blieb daher ohne Erfolg.
Das Urteil betrifft zwar formal noch die alte Rechtslage bis einschließlich 2019. Gleichzeitig macht der BFH aber deutlich, dass eine Umsatzsteuerbefreiung für nicht zugelassene Privatkliniken nur in eng begrenzten Fällen in Betracht kommt. Stark erhöhte Entgelte, Luxusausstattung und fehlende Einbindung in die gesetzliche Krankenversicherung sprechen deutlich gegen eine soziale Vergleichbarkeit mit zugelassenen Krankenhäusern. Diese Grundsätze werden voraussichtlich auch bei der Auslegung der seit 2020 geltenden Neuregelung herangezogen werden, die sich weiterhin an den Vorgaben des Unionsrechts orientieren muss.
Entwarnung für zugelassene Krankenhäuser
Krankenhäuser, denen die Umsatzsteuerbefreiung bereits nach nationalem Recht zusteht (Krankenhäuser im Sinne des § 108 SGB V etc.), sind von dieser Rechtsprechung nicht unmittelbar betroffen. Bei diesen Einrichtungen bleiben höhere Entgelte – etwa für Chefarztbehandlungen oder die Belegung von Doppel- oder Einbettzimmern – grundsätzlich unschädlich, solange die übrigen Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen.
Hinweis
Dennoch ist Vorsicht geboten. Auch bei nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern, wie Universitätskliniken oder Vertragskrankenhäusern, können einzelne Leistungen umsatzsteuerpflichtig sein. Das gilt insbesondere für Leistungen, die weder als Krankenhausbehandlungen oder ärztliche Heilbehandlungen einzustufen sind, noch in einem hinreichend engen Zusammenhang mit einer solchen Behandlung stehen (z. B. entgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken an Besucher oder sonstige „Service“-Leistungen).




