Elektronische Bekanntgabe von Steuerbescheiden ab 2026
Widerspruchsmöglichkeit statt Einwilligung
Wann war der Steuerbescheid im Briefkasten und ist er überhaupt angekommen? Unklare Zustellzeiten, lange Postlaufzeiten und verloren gegangene Briefe führten in der Vergangenheit oft zu Frust bei Steuerpflichtigen und Beratern. Doch die Finanzämter rüsten auf. Ab 2026 werden digitale Bescheide zum Regelfall. Die elektronische Bekanntgabe wird standardmäßig genutzt, wenn nicht widersprochen wird. Für Steuerpflichtige bedeutet das: Fristen laufen, obwohl kein Brief mehr im Postkasten liegt.
Was ist ein elektronischer Bescheid?
Ein elektronischer Bescheid ist inhaltlich identisch mit der Papierfassung. Er wird in einem gesicherten Postfach zum Abruf bereitgestellt, etwa im ELSTER-Konto oder im Postfach einer bevollmächtigten Person. Der Bescheid bleibt ein Verwaltungsakt mit allen Folgen. Erläuterungen wie „Abweichungen von der Steuererklärung“ stellen keinen Verwaltungsakt dar. Sie erläutern nur die im Bescheid zu findenden Angaben, lösen aber selbst keine Rechtsfolgen aus. Maßgeblich ist der Bescheid als solcher, der die Steuer festsetzt oder ändert.
Begriff und Bedeutung der Bekanntgabe
Unter Bekanntgabe wird die formale Mitteilung eines Verwaltungsakts, z. B. des Einkommensteuerbescheids, an die richtige Person verstanden, also an Steuerpflichtige oder eine bevollmächtigte Person, wie den Steuerberater. Ein Steuerbescheid wird erst mit seiner Bekanntgabe wirksam. Dadurch werden Rechtswirkungen ausgelöst und Fristen in Gang gesetzt, insbesondere die einmonatige Einspruchsfrist. Das heißt im Umkehrschluss: Ohne Bekanntgabe keine Wirksamkeit und keine Frist. Deshalb kommt es rechtlich nicht auf die interne Bearbeitung im Finanzamt, sondern auf den Zugang des Bescheids beim richtigen Adressaten oder der bevollmächtigten Person an.
Ein zum Abruf bereitgestellter elektronischer Verwaltungsakt, wie ein Steuerbescheid, gilt am vierten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung der Daten an die abrufberechtigte Person (Steuerpflichtiger oder Steuerberater) als bekannt gegeben. Die Steuerpflichtigen bzw. Steuerberater werden also per E-Mail darüber informiert, dass der Steuerbescheid zum Abruf bereitsteht. Damit beginnt die Einspruchsfrist zu laufen.
Praxisbeispiel
Ein Körperschaftsteuerbescheid wird am 8. April 2026 elektronisch durch die Finanzverwaltung im ELSTER-Portal des Steuerberaters bereitgestellt. Seitens des Unternehmens liegt eine Bekanntgabevollmacht für den Steuerberater vor. Als bekannt gegeben gilt der Bescheid am 12. April 2026. Die Einspruchsfrist endet mit Ablauf des 12. Mai 2026.
Dies entspricht der Frist, die auch für Papierbescheide seit Januar 2025 gilt. Ein schriftlicher (Papier)Bescheid gilt im Inland am vierten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Das bedeutet, das Finanzamt und das Gesetz unterstellen, dass der Empfänger ihn zu diesem Zeitpunkt erhalten hat und von ihm Kenntnis nehmen konnte.
Ab 2026 gilt die Widerspruchslösung
Bislang war für die elektronische Bekanntgabe von Bescheiden eine Einwilligung erforderlich. Der Steuerpflichtige musste dies aktiv beantragen. Ab 1. Januar 2026 wird umgestellt: Die elektronische Bekanntgabe wird zum Regelfall. Dies gilt immer dann, wenn auch die dazugehörige Steuererklärung bereits elektronisch, beispielsweise über das ELSTER-Portal, eingereicht wurde.
Steuerpflichtigen steht jedoch ein Widerspruchsrecht zu, das formlos beim Finanzamt ausgeübt werden kann. Wird eine postalische Bekanntgabe beantragt, erfolgt die Bekanntgabe wieder per Post. Der Widerspruch wirkt jedoch nur für die Zukunft.
Hinweis: Steuerpflichtige, die ihre Steuererklärung noch in Papierform einreichen, erhalten den Steuerbescheid auch ohne Widerspruch weiterhin auf dem Postweg als Papierversion.
Aktueller Stand der Umsetzung nach Steuerart
Bundesweit stehen Einkommensteuerbescheide und Gewerbesteuermess- und Zerlegungsbescheide digital zum Abruf bereit. Kommunale Gewerbesteuerbescheide werden in einzelnen Ländern und Kommunen digitalisiert, ein flächendeckender Vollausbau liegt jedoch noch nicht vor. Auch Körperschaftsteuerbescheide sind in einigen, aber noch nicht in allen Bundesländern digital verfügbar. Gleiches gilt für Umsatzsteuerbescheide. Die elektronische Bekanntgabe ist angelegt, der tatsächliche Rollout erfolgt jedoch gestuft je Bundesland. Weitere Informationen lassen sich der ELSTER Hilfe DIVA entnehmen.
Bei Feststellungsbescheiden steht die Umstellung auf Seiten der Finanzverwaltung noch nahezu komplett aus; es gibt hierzu auch keine bekannten Pilotprojekte.
Daher müssen Steuerpflichtige wie auch Steuerberater auch nach dem Jahreswechsel 2025/2026 weiterhin zwei Posteingänge überwachen, den elektronischen über Mein ELSTER und den postalischen Briefkasten.
Widerspruch gegen die elektronische Bekanntgabe sinnvoll?
Ein genereller Widerspruch wird für die meisten Steuerpflichtigen nicht vorteilhaft sein, weil die elektronische Bekanntgabe einen schnelleren Informationszugang schafft und Steuerberater die Fristen zuverlässig überwachen. Sinnvoll erscheinen Ausnahmen, wenn zwingende interne Prozesse weiterhin Papier erfordern. In diesen Fällen kann ein Widerspruch gestellt und die postalische Bekanntgabe gewählt werden.
Fazit
Ab 2026 wird die elektronische Bekanntgabe zum Standard. Für die große Mehrheit der Unternehmen ändert sich im Alltag wenig, sofern bereits mit ELSTER und bzw. mit elektronischer Übermittlung der Steuererklärung durch den Steuerberater gearbeitet wird. Fristenüberwachung, interne Freigaben und Ablage laufen unverändert – nur die Quelle ist elektronisch.




