Kindergeld bei volljährigen Kindern
Voraussetzungen und Fallstricke
Wenn Kinder geboren werden, beantragen die meisten Eltern zeitnah Kindergeld und denken dann im Regelfall in den nächsten Jahren nicht mehr weiter darüber nach. Änderungen in der Höhe des Kindergeldes berücksichtigt die Familienkasse automatisch. Doch wenn die Volljährigkeit naht und der Schulabschluss ansteht, müssen Eltern beim Kindergeld in Aktion treten, denn für einen Weiterbezug sind verschiedene Voraussetzungen notwendig. Wer sich nicht kümmert, hat das Nachsehen, denn Kindergeld darf nur für 6 Monate rückwirkend ausgezahlt werden.
Kindergeld bei über 18 Jahre alten Kindern
Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird nur berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat und arbeitssuchend ist oder noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
- für einen Beruf ausgebildet wird oder
- sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet oder
- eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
- einen bestimmten Freiwilligendienst leistet
Kinder mit Behinderung werden auch ohne Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen über das 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt. Voraussetzung ist, dass sie außerstande sind, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Ausbildung für einen Beruf
Anspruch auf Kindergeld besteht unter anderem für ein Kind, das für einen Beruf ausgebildet wird. Das ist nach den Richtlinien der Familienkasse der Fall, wenn ein Kind sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet.
Als Ausbildung für einen Beruf zählen dabei insbesondere der Besuch einer allgemein- oder berufsbildenden Schule, eine Berufsausbildung, der Besuch einer Hochschule, ein Praktikum, ein Sprachaufenthalt im Ausland, aber auch der Vorbereitungsdienst der Lehramts- und Rechtsreferendare und Beamtenanwärter. Es genügt jedoch nicht, wenn das Kind lediglich als Gasthörer an Vorlesungen und Übungen teilnimmt.
Im Ausland absolvierte Studiengänge sind ebenfalls zu berücksichtigen, wenn sie auf einen berufsqualifizierenden Abschluss gerichtet sind und die Kinder an der ausländischen Hochschule als ordentliche Studierende immatrikuliert sind.
Die Ausbildung muss des Weiteren zeitlich einem von vornherein festgelegten Plan entsprechen. Weicht die Dauer der Ausbildung erheblich von der üblichen Dauer vergleichbarer Ausbildungen ab, bedarf die Ernsthaftigkeit besonderer Begründung. So sollten Studenten, die die Regelstudienzeit überschreiten, die Gründe dafür entsprechend dokumentieren.
Fallstrick Nr. 1: Übergangszeit von 4 Monaten
Die Schule ist zu Ende, aber das Ausbildungsjahr beginnt erst im Herbst? Für das Kindergeld im Regelfall kein Problem, denn volljährige Kinder können auch berücksichtigt werden, wenn sie sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten bzw. Freiwilligendiensten befinden. Diese Übergangszeiten ergeben sich oftmals zwangsweise aus festen Einstellungsterminen der Ausbildungsbetriebe oder dem Beginn des Hochschulsemesters.
Die Frist ist monatsweise und nicht taggenau zu berechnen. Endet ein Ausbildungsabschnitt daher Mitte Juni, muss der nächste Abschnitt spätestens im November beginnen.
Fallstrick Nr. 2: Keine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz
Ein volljähriges Kind kann auch berücksichtigt werden, wenn es eine Berufsausbildung mangels eines Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dies umfasst sowohl die Fälle, in denen das Kind noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, als auch Fälle, in denen es bereits eine Zusage erhalten hat, die Ausbildung aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen kann. Die Bewerbung muss dabei für den nächstmöglichen Ausbildungsbeginn erfolgt sein.
Beispiel: Ein Kind legt die Abiturprüfung im April 01 ab. Das Kind möchte sich zunächst orientieren und beabsichtigt, danach eine Berufsausbildung zu beginnen. Im August 01 bewirbt sich das Kind schriftlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt um einen Ausbildungsplatz, erhält im Januar 02 eine schriftliche Zusage und nimmt im August 02 die Ausbildung auf.
Das Kind kann nur in folgenden Zeiträumen berücksichtigt werden:
- bis einschließlich April 01 als Kind, das für einen Beruf ausgebildet wird (Schulbesuch)
- von August 01 bis Juli 02 als Kind ohne Ausbildungsplatz
- ab August 02 als Kind, das für einen Beruf ausgebildet wird
In den Monaten Mai 01 bis Juli 01 besteht kein Anspruch auf Kindergeld.
Kein Mangel eines Ausbildungsplatzes liegt dagegen vor, wenn das Kind die objektiven Anforderungen an den angestrebten Ausbildungsplatz nicht erfüllt oder wenn es im Falle des Bereitstehens eines Ausbildungsplatzes aus anderen Gründen am Antritt gehindert ist.
Fallstrick Nr. 3: Ableistung von Freiwilligendiensten
Neben der Ausbildung für einen Beruf ist auch die Ableistung verschiedener Freiwilligendienste begünstigt. Darunter fallen unter anderem ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr, der Bundesfreiwilligendienst, der entwicklungspolitische Freiwilligendienst „weltwärts“ oder auch ein internationaler Jugendfreiwilligendienst
Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 20. Februar 2025 (III R 43/22) entschied, zählt ein freiwilliger Wehrdienst jedoch nicht zu den begünstigten Tätigkeiten. Ein Kindergeldanspruch für diesen Zeitraum ist grundsätzlich ausgeschlossen. Gleichwohl kann während der Zeit des Freiwilligen Wehrdienstes ein Kindergeldanspruch bestehen, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Die Ableistung eines freiwilligen Wehrdienstes von nicht mehr als drei Jahren führt darüber hinaus zu einer Verlängerung der Berücksichtigungsmöglichkeit eines Kindes über das 25. Lebensjahr hinaus.
Fallstrick Nr. 4: Kindergeld nach erstmaliger Berufsausbildung
Auch nach einer erstmaligen Berufsausbildung kann ein Kind unter den oben genannten Bedingungen weiterhin berücksichtigt werden. Voraussetzung ist, dass es keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht. Der Abschluss einer allgemeinbildenden Schule zählt nicht als Erstausbildung. Wie der BFH urteilte, stellt auch der Grundwehrdienst keine erstmalige Berufsausbildung dar, weil er nicht mit einer Laufbahnprüfung endet.
Des Weiteren ist eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis unschädlich.
Eine schädliche Erstausbildung liegt vor, wenn das Kind durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Voraussetzung ist, dass der Beruf durch eine Ausbildung in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang erlernt wird und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen wird. Eine zeitliche Mindestanforderung gibt es – anders als bei der Berücksichtigung von Ausbildungskosten als Werbungskosten – nicht.
Problematisch sind allerdings immer wieder die Fälle von mehrstufigen Ausbildungen. Danach können mehrere Ausbildungsabschnitte bzw. Ausbildungsmaßnahmen eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. Studiert ein Kind daher beispielsweise nach dem Bachelor noch in einem Masterstudiengang, kommt es für die Berücksichtigung von Kindergeld darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinanderstehen und in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden.
Tipp: Eltern von volljährigen Kindern sollten genau prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Weiterbezug von Kindergeld vorliegen, damit ihnen nicht der eine oder andere steuerliche Fallstrick zum Verhängnis wird.