Besteuerung beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer
Die Arbeitswelt hat sich nicht nur seit der Corona-Pandemie immer mehr verändert. Freizügigkeit, Digitalisierung und mobiles Arbeiten gehören zum neuen – immer öfter auch internationalen – Arbeitsalltag. Arbeitgeber und Arbeitnehmer befinden sich nicht unbedingt im gleichen Land. Doch dies zieht auch neue Fragen nach sich. Welches Land hat das Besteuerungsrecht? Was müssen Arbeitgeber bei der Gehaltsabrechnung beachten?
Prüfung der Steuerpflicht in Deutschland
Im Ausland wohnende Mitarbeiter ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland sind in Deutschland beschränkt steuerpflichtig, soweit die Tätigkeit im Inland ausgeübt wird. Arbeitet der Mitarbeiter beispielsweise ausschließlich aus dem ausländischen Homeoffice, besteht daher kein inländisches Besteuerungsrecht.
Ausnahmen von dieser Regel können u. a. bestehen, soweit die Tätigkeit im Inland verwertet wird. Dafür muss sich die Tätigkeit der Arbeitnehmer jedoch in einem verwertbaren Produkt oder Recht niederschlagen. Von der Besteuerung des Verwertungstatbestands wird aber abgesehen, wenn Deutschland nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit dem ausländischen Wohnsitzstaat kein Besteuerungsrecht zusteht und der Lohnsteuerabzug unterbleiben darf oder der Arbeitnehmer mit den Einkünften aus seiner Tätigkeit im Tätigkeitsstaat einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer unterlegen hat.
Weitere Ausnahmen bestehen für Angehörige des diplomatischen Dienstes oder Mitarbeiter, die die unbeschränkte Steuerpflicht unter bestimmten Voraussetzungen beantragen.
Wichtig: Seit 1. Januar 2024 kann eine beschränkte Steuerpflicht auch durch bilaterale Abkommen, wie z. B. mit Luxemburg, entstehen. Dabei gilt die nichtselbständige Arbeit auch als im Inland ausgeübt oder verwertet, soweit die Tätigkeit im Ausland ausgeübt wird und ein mit dem ausländischen Staat abgeschlossenes Doppelbesteuerungsabkommen oder eine Konsultationsvereinbarung Deutschland ein Besteuerungsrecht zuweist.
Prüfung der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen
Bei dem bereits erwähnten Stichwort Doppelbesteuerungsabkommen denken viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber zuerst an die sogenannte 183-Tage-Regelung. Sie gehen davon aus, wer sich nicht mehr als 183 Tage in einem anderen Land aufhält, wird dort nicht steuerpflichtig.
Doch Vorsicht – das kann ein Trugschluss sein. Für eine korrekte Abrechnung ist immer das jeweilige DBA im Einzelfall zu prüfen. Grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer dort steuerpflichtig, wo er wohnt und seinen Lebensmittelpunkt hat. Dieser Staat gilt als Ansässigkeitsstaat.
Die Steuerpflicht verbleibt im Wohnsitzstaat bzw. Ansässigkeitsstaat, wenn der Arbeitnehmer sich im Tätigkeitsstaat, z. B. Deutschland, insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten, je Kalenderjahr oder je Steuerjahr aufhält und die Vergütungen nicht von einem Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat gezahlt werden und die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte getragen werden, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat. Das bedeutet: Nur wenn alle drei Voraussetzungen erfüllt werden, verbleibt die Steuerpflicht im Ansässigkeitsstaat.
Arbeitet eine Mitarbeiterin aus dem Ausland für einen Arbeitgeber in Deutschland und kommt sie dafür auch an einigen Tagen ins Büro in Deutschland, ist sie mit diesen Arbeitstagen in Deutschland steuerpflichtig. Sie überschreitet zwar nicht die 183-Tage-Grenze, jedoch wird ihr Gehalt von einem inländischen Arbeitgeber gezahlt und wirtschaftlich getragen. Das Besteuerungsrecht für diese Tage hat daher Deutschland. Das Gehalt für die anderen Tage ist im ausländischen Staat steuerpflichtig. Im Rahmen der Gehaltsabrechnung ist eine Aufteilung vorzunehmen.
Gehaltsaufteilung im Rahmen der Lohnabrechnung
Arbeitslohn eines ausländischen Mitarbeiters unterliegt in Deutschland der Lohnsteuer, soweit er von einem inländischen rechtlichen oder wirtschaftlichen Arbeitgeber gezahlt wird. Ist der Arbeitnehmer nur mit den inländischen Arbeitstagen beschränkt steuerpflichtig, muss der Arbeitslohn für den Lohnsteuerabzug nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 8. Oktober 2024 aufgeteilt werden.
Zahlt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer Arbeitslohn, der nach einem DBA teilweise steuerfrei und teilweise steuerpflichtig ist, so hat der Arbeitgeber für den Lohnsteuerabzug zunächst den direkt der Tätigkeit in einem Staat zuordenbaren Arbeitslohn zu ermitteln und entsprechend als steuerfrei oder steuerpflichtig zu behandeln. In einem zweiten Schritt hat der Arbeitgeber den verbleibenden und nicht direkt zuordenbaren Arbeitslohn in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil aufzuteilen.
Direkt zuordenbar sind beispielsweise Sachbezüge wie die Gewährung einer Unterkunft oder Überstundenzuschläge. Nicht direkt zuordenbarer Arbeitslohn, wie beispielsweise das Grundgehalt, wird nach den tatsächlich im In- oder Ausland ausgeübten Arbeitstagen aufgeteilt.
Für die unterjährige Aufteilung lässt die Verwaltung mehrere Möglichkeiten zu, zwischen denen aber unterjährig nicht gewechselt werden darf:
- Aufteilung im Rahmen einer Prognose der voraussichtlichen tatsächlichen Tage im In- und Ausland im Verhältnis zu den voraussichtlichen Gesamtarbeitstagen
- Aufteilung nach tatsächlichen Arbeitstagen im einzelnen Kalendermonat
- Aufteilung nach pauschal angesetzten Arbeitstagen im gesamten Beschäftigungszeitraum innerhalb eines Kalenderjahres
- Aufteilung nach pauschal angesetzten Arbeitstagen im einzelnen Kalendermonat
- Aufteilung nach vereinbarten Arbeitstagen im einzelnen Kalendermonat
Der Arbeitgeber hat den innerhalb eines Kalenderjahres durchgeführten Lohnsteuerabzug am Ende des Kalenderjahres oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses zu überprüfen und bei Abweichungen zu korrigieren.
Beispiel: Arbeitnehmerin A lebt und arbeitet im Ausland für einen inländischen Arbeitgeber als Sachbearbeiterin. Im Monat März arbeitet sie 10 Tage in Deutschland und 10 Tage im Ausland. Ihr Bruttogehalt beträgt 4.000 Euro monatlich. Im März erhält sie ebenfalls einen Bonus von 1.000 Euro für das vergangene Geschäftsjahr. Im Vorjahr war sie an 50 von insgesamt 200 Arbeitstagen im Inland tätig.
Aufteilung Gehalt März: 4.000 Euro x 10/20 Tage = 2.000 Euro jeweils steuerfrei und steuerpflichtig.
Aufteilung Bonus Vorjahr: 1.000 Euro x 50/200 = 250 Euro steuerpflichtig, 750 Euro steuerfrei
Berücksichtigung der richtigen Lohnsteuerklasse
Beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer sind grundsätzlich in Steuerklasse I einzureihen. Für sie kann seit dem 1. Januar 2020 das ELStAM-Verfahren angewendet werden. Voraussetzung hierfür ist, dass den Arbeitnehmern eine Identifikationsnummer zugeteilt worden ist, die beim Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers zu beantragen ist. Der entsprechende Antrag kann auch vom Arbeitgeber gestellt werden.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, für die Dauer von 3 Monaten die Lohnsteuerabzugsmerkmale „auf Zuruf“ des Arbeitnehmers, also ohne elektronischen Abruf, anzuwenden und so die Anwendung der Steuerklasse VI zu vermeiden, bis die steuerliche Identifikationsnummer vorliegt.
Ist nach einem DBA nur ein Teil der Arbeitstage in Deutschland steuerpflichtig, ist beim Betriebsstättenfinanzamt eine Freistellungsbescheinigung zu beantragen. Damit darf der Lohnsteuerabzug für die ausländischen Arbeitstage unterbleiben.
Mit dem Lohnsteuerabzug ist die deutsche Steuer abgegolten. Das BMF-Schreiben vom 27. Juni 2022 regelt das Verfahren zur Erstattung von bereits zu Unrecht durch den Arbeitgeber einbehaltener Lohnsteuer.
Davon unabhängig haben Steuerpflichtige, die Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz sind, die Möglichkeit, eine Veranlagung zur Einkommensteuer zu beantragen.