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Privatkliniken erneut auf dem Prüfstand

Neue Urteile zur Umsatzsteuerbefreiung

Privatkliniken erneut auf dem Prüfstand
Aktuelles
28.04.2025 — Lesezeit: 4 Minuten

Privatkliniken erneut auf dem Prüfstand

Neue Urteile zur Umsatzsteuerbefreiung

Heilbehandlungsleistungen, die von Ärzten und anderen medizinischen Fachkräften erbracht werden, sind nach dem Umsatzsteuergesetz grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Für Krankenhausbehandlungen gibt es eine separate Steuerbefreiungsvorschrift. Diese gilt jedoch nur für bestimmte Krankenhäuser, insbesondere für Einrichtungen des öffentlichen Rechts sowie für solche, die nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassen sind, wie Universitätskliniken oder Vertragskrankenhäuser.

Zusätzliche Anforderungen für Privatkliniken

Auch Privatkliniken können unter bestimmten Voraussetzungen von der Umsatzsteuerbefreiung profitieren, insbesondere dann, wenn ihre Leistungen unter sozial vergleichbaren Bedingungen, wie die öffentlicher Krankenhäuser, erbracht werden. Maßgeblich sind sowohl das nationale Recht als auch die europäische Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL). Doch die Rechtslage ist komplex, beschäftigt seit Jahrzehnten die Gerichte und auch diverse Gesetzesänderungen machen die Anwendung nicht leichter.

Aktuelle Rechtsprechung: Das Urteil des FG Niedersachsen

Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat sich Anfang dieses Jahres mit einem Fall befasst, in dem eine Privatklinik, die nicht nach § 108 SGB V zugelassen war, ihre Leistungen umsatzsteuerfrei behandeln wollte. Die Klinik rechnete nach krankenhausindividuellen, tagesgleichen Pflegesätzen ab und hatte keine Versorgungsverträge mit gesetzlichen Krankenkassen. Das Finanzamt versagte die Steuerbefreiung, das FG ebenfalls. In seiner Entscheidung stützte es sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs und entschied, dass eine soziale Vergleichbarkeit nicht gegeben sei.

Kriterien für die soziale Vergleichbarkeit

Laut Gericht muss eine Privatklinik ihre Leistungen zu ähnlichen Bedingungen wie öffentliche Krankenhäuser erbringen. Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:

Kostenstruktur:
Ziel der gesetzlichen Steuerbefreiung sei es, die Kosten für Gesundheitsleistungen zu senken. Insoweit ist es relevant, ob die Tagessätze in einem privaten Krankenhaus und in einem öffentlich-rechtlichen Krankenhaus in vergleichbarer Weise berechnet werden. Wenn eine Klinik jedoch höhere Entgelte verlangt als nach den sogenannten DRG-Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups) abrechenbar sind, spricht dies gegen eine soziale Vergleichbarkeit. Nach dem Umsatzsteuergesetz müssen die Kosten voraussichtlich in mindestens 40 % der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde. Im vorliegenden Fall rechnete die Klinik nach tagesgleichen Pflegesätzen ab, was für Patienten ein höheres Kostenrisiko bedeutete.

Kostenübernahme durch Sozialversicherungsträger:
Ein weiterer Faktor ist, ob Sozialversicherungsträger die Kosten der erbrachten Leistungen übernehmen. Im Fall der Privatklinik war dies nicht gegeben, sodass die Patienten im Vergleich zu öffentlichen Einrichtungen eine höhere finanzielle Belastung trugen.

Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung: Eine fehlende Wirtschaftlichkeit der Klinik ist ein weiteres Argument gegen eine soziale Vergleichbarkeit. Neben den höheren Entgelten, die aufgrund fehlender Investitionskostenzuschüsse erforderlich sind, könnten auch noch andere Faktoren zu den höheren Preisen beitragen – mehr, als es bei öffentlichen Krankenhäusern der Fall wäre.

BFH-Verfahren könnte Klarheit bringen

Ein weiteres Verfahren könnte für die umsatzsteuerliche Behandlung von Privatkliniken von Bedeutung sein. Denn vor dem Bundesfinanzhof (BFH) ist ein Fall anhängig, bei dem es um folgende Fragen geht: Welche Maßstäbe sind für die soziale Vergleichbarkeit heranzuziehen? Ist die soziale Vergleichbarkeit zu verneinen, wenn (mehr als) doppelt so hohe Kosten abgerechnet werden, als in nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern anfallen?

Die Beantwortung dieser Fragen durch den BFH wird mit Spannung erwartet. Zwar geht es hierbei vorrangig um die Klärung der alten Rechtslage bis einschließlich 2019. Allerdings ließen sich daraus Rückschlüsse für die aktuelle Rechtslage seit 2020 ziehen. Denn auch die Neufassung der Steuerbefreiung in § 4 Nr. 14 UStG muss sich an dem höherrangigen europäischen Recht orientieren und vor dem Hintergrund der Mehrwertsteuersystemrichtlinie beurteilt werden.

Entwarnung für zugelassene Krankenhäuser

Krankenhäuser, denen die Umsatzsteuerbefreiung für Krankenhäuser bereits nach nationalem Recht zu gewähren ist (Krankenhäuser i. S. d. § 108 SGB V etc.), sind nicht von der Entscheidung betroffen. Somit sind hier auch höhere Entgelte unschädlich (bspw. Chefarztbehandlung bzw. Doppel- oder Einzelzimmerbelegung).

Hinweis: Dennoch ist Vorsicht geboten. Auch bei nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäsern, wie Universitätskliniken oder Vertragskrankenhäusern können einzelne Leistungen umsatzsteuerpflichtig sein. Das ist der Fall, wenn es sich weder um Krankenhausbehandlungen oder ärztliche Heilbehandlungen etc. handelt und auch keine verbundenen Umsätze vorliegen (z. B. entgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken an Besucher).

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